Hoaxilla #203 – „Die Dolchstoßlüge“

Public Domain via wikipediaAm Ende des 1. Weltkrieges nutzen nationalistische Strömungen die Propagandalüge über einen Verrat durch das deutsche Volk, um die Niederlage Deutschlands zu erklären.

Wir gehen dieser Lüge auf den Grund.

Dabei beschäftigt uns auch die Frage, welche Rolle Adolf Hitler spielte und wir streifen den Aufstieg des dritten Reiches und das Ende der Weimarer Republik.

Die Episode soll zeigen, wie hochaktuell Ereignisse aus der Geschichte sein können.

Informationen zu unserem Vortrag im Glodbekhaus am 29. März findet ihr hier…

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24 Antworten auf „Hoaxilla #203 – „Die Dolchstoßlüge““

  1. Also ich bin erst seit 2 Jahren aus der Schule raus und wir haben im Geschichts-Unterricht gelernt, dass die heutige historische Betrachtung nicht mehr das Bild Deutschlands als Aggressor für den 1. Weltkrieg zeichnet, sondern die Kriegsschuldfrage differenzierter betrachtet wird und dass man insgesamt der Ansicht ist, dass sich die Schuld auf alle Großmächte jener Zeit verteilt.
    Wir haben uns zum Beispiel Quellen verschiedener Länder zu jener Zeit angesehen und da gab es dann z.B. auch klare Papiere zwischen Russland & Frankreich, die ein konkretes Vorgehen gegen Deutschland geplant haben.
    Insgesamt kamen wir im Geschichtunterricht zu dem Schluss, dass quasi alle Großmächte den Ausbruch des 1. Weltkrieg begrüßt haben und alle mehr oder weniger rein „drifteten“ mit dem Ausblick, dass der Krieg eh schnell wieder vorbei sein würde.
    Dabei haben wir dann auch z.B. das Buch „Die Schlafwandler“ besprochen, was recht gut den aktuellen historischen Stand für den Ausbruch des 1. Weltkriegs darstellt.

      1. Ja, das ist richtig.
        Ihr habt nur zu Beginn Deutschland neben Österreich-Ungarn sehr als Aggressor gezeichnet und habt mittig gesagt „Die Hybris zweier Kaiser in Europa haben die ganze Welt in Ruin getrieben“ und auch wenn die Ursachen des Krieges jetzt nicht euer Hauptthema im Podcast sind, seid ihr darauf dann ja doch eingegangen und ich habe es im Geschichtsunterricht eben doch differenzierter und anders gelernt. Das wollte ich eben nur noch mal erwähnen, weil eben gerade dieses Bild, dass Deutschland & Österreich-Ungarn (bzw. ihre Kaiser) die Verantwortlichen für den 1. Weltkrieg seien, etwas ist, was ich im Geschichtsunterricht als aus heutiger historischer Betrachtung, falsch bzw. veraltet, gelernt habe.
        Das ist mit Blick auf andere Aspekte wie den Versailler Vertrag, wo Deutschland ja die alleinige Kriegsschuld gegeben wurde, was ja ein weiterer Punkt für den Revanchismus in der Weimarer Republik war, ne wichtige Sache, die es als differenziert zu ergründen gilt.
        Daher wollte ich das nur noch mal erwähnt haben :).

        1. Die deutsche Aggression speiste sich vor allem aus der Tatsache, dass das Deutsche Reich zu Anfang des 20. Jahrhunderts wirtschaftlich eine potente Großmacht war, gesellschaftlich aber in seiner extremen Rückständigkeit verharrte.
          Als miefiges Kaiserreich war es den anderen Mächten Europas, mit ihren bürgerlichen, parlamentarischen Nationalstaaten, gesellschaftlich nicht gewachsen und dümpelte als „verspätete Nation“ vor sich hin.
          Das hatte zur Folge, dass das machtlose deutsche Bürgertum sich einerseits in völkisch-romantisierte Hirngespinste hineinträumte („deutsche Romantik“) und dass es andererseits die Aggression ob der eigenen Ohnmacht nach außen projizierte.
          Schon Reichskanzler Bismarck verstand es meisterhaft, die Deutschen durch das Etablieren äußerer Feindbilder (Franzosen, Polen, Juden etc.) auf fragwürdige Weise zu einen.
          Als sich 1914 diese jahrzehntelang geschürte Aggression gegen die direkten Nachbarn entlud, kollidierten also in erster Linie zwei verschiedene Gesellschaftsmodelle miteinander:
          Der deutsche antiquierte Absolutismus gegen die modernen Nationalstaaten der anderen europäischen Mächte. Dessen waren sich die Deutschen damals auf jeden Fall bewusst und forcierten dieses Szenario sogar. Man sprach gar vom Kampf „der Ideen von 1914“ gegen „die Ideen von 1789“
          Daher lässt sich schon sagen, dass Deutschland die treibende Kraft hinter dem Ausbruch des ersten Weltkrieges war, wenn natürlich die Stimmung in ganz Europa zu dieser Zeit extrem militaristisch aufgeheizt war – ein Beispiel dessen, was passiert, wenn die heute von Rechtspopulisten beschworenen „Vaterländer“ aufeinander losgehen.

  2. Ja, es herrschte unter den Beteiligten vor dem Krieg eine Stimmung vor, die einem Krieg nicht vollkommen abgeneigt war. Eine Neuordnung Europas (und der Kolonien und Vormachtsstellung in den Balkangebieten und einigen des ehem. osmanischen Reiches) wurde sicherlich auch von den anderen Beteiligten begrüßt. Nur der Umgang mit der Julikriese und mit Belgien zeichnet eben ein anderes Bild. Natürlich hat Deutschland die Demütigung des Versailler Vertrages bis zur Machtergreifung Hitlers nicht verwunden. Aber das haben wir (wenn auch kurz) erwähnt. Danke auf jeden Fall, dass du das noch einmal angesprochen hast.

  3. Vielen Dank für diese neue, erschreckend aktuelle und wirklich interessante Folge. Vor allem im Vergleich mit der – bitte nicht übel nehmen 😉 – unheimlich konfusen Fake News Folge ein wieder ziemlich großartiges Stück erhellendes Wissen. Nur eines, was auch schon einer der Vorredner anschnitt: Natürlich waren Deutschland und Österreich-Ungarn die primäre Agressions- und Kriegsquelle. Allerdings wird von heutigen Historikern nahegelegt, dass die Situation doch etwas komplexer war als lange proklamiert wurde. Nämlich dass auch viele andere Kriegsparteien den Konflikt durchaus begrüßten und eine Konfrontation als „Katharsis für das europäische Mächtegewicht“ sahen. Darunter unter anderem Russland und Frankreich. Natürlich war das nicht das primäre Thema. Allerdings ist’s manchmal nicht so gut, manches doch auch etwas differenzierter zu beleuchten. Vor allem wenn’s um Krieg geht.

  4. Hoaxmistress :
    Ja, es gibt sogar Stimmen, die Poincaré eine maßgeblichere Rolle zuteilen.
    https://www.welt.de/geschichte/article158782749/Trieb-Frankreich-Deutschland-in-den-Krieg.html
    So wie sich die Krise jedoch entwickelte, tragen Deutschland und Österreich-Ungarn zumindest die Hauptschuld. Wenn das Attentat nicht der Stein gewesen wäre, der den Ausbruch schließlich ins Rollen brachte, hätte die Sache vielleicht sogar anders ausgesehen.

    Es wäre schön gewesen, wenn Ihr diese differenzierte Sicht auf die politischen Geschehnisse vor und während des 1. Weltkriegs auch in Eurem Podcast vertreten hättet. Gerade Hoaxilla hat es sich ja auf die Fahne geschrieben, Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen verpflichtet zu sein. Und ich empfinde es schon als verwunderlich, wenn man Euch wie oben darauf hinweist, dass die von Euch aufgeführte Darstellung sehr einseitig ist, und der Hoaxmaster es lapidar mit „Das war ja nicht unser Hauptthema.“ abtut, obwohl Ihr immerhin gut 1 Drittel des Podcasts darauf verwendet, die Ursachen und den Ablauf des 1. Weltkrieges zu behandeln.

    Zu beurteilen, wem man jetzt die Hauptschuld anlastet, maße ich mir als Laien nicht an (das überlasse ich mal lieber den Historikern), aber es ist fraglos so, dass Österreich und Deutschland maßgeblich an der Katastrophe beteiligt waren.

    Es ist aber wichtig darauf hinzuweisen, dass fast alle beteiligten Länder damals sehenden Auges in die Krise geschlittert sind, mit der Hoffnung, auf diese Weise ihre jeweiligen politischen Ziele voranzutreiben. Zudem hat allen kriegsführenden Parteien jahrelang der Wille gefehlt den Krieg zu beenden (oder es zumindest zu versuchen). Dass die speziell von Frankreich vorangetriebenen Bedingungen des Versailler Vertrages zur nachhaltigen Schwächung Deutschlands führten, was wiederum einer der Gründe für das Scheitern der Weimarer Republik war und damit den Aufstieg Adolf Hitlers ermöglichte, sollte ja allseits bekannt sein.

      1. Ich habe die Folge komplett gehört. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass sich Deine Suggestivfrage auf meine letzten Zeilen bezüglich des Versailler Vertrages bezieht. Vielleicht magst Du mir ja noch erläutern, inwiefern dies jetzt die Grundaussage meines Posts entkräftet. Tatsache ist, dass nicht nur mir aufgefallen ist, dass Ihr in Eurem Podcast die Situation stark vereinfacht dargestellt habe. Ich hätte als jemand, der Euch jetzt schon länger hört, eigentlich erwartet, dass Ihr da nicht so defensiv reagiert, wenn man Euch darauf hinweist. Wenn Ihr anderer Meinung seid, könnt Ihr das ja darlegen, aber es einfach abzutun mit dem Hinweis, dass das Kernthema ein anderes war, ist doch schon etwas fragwürdig für einen Podcast, der sonst immer sehr viel Wert auf Fakten und Details legt.

  5. Also wenn man sich wirklich ausgiebig mit dem 1. Weltkrieg beschäftigen will kann ich den Youbtube Kanal „The Great War“ empfehlen. Die machen seit 2014 Videos und das Projekt läuft bis 2018 (sprich die Zusammenfassung Ereignisse der jeweiligen Weltkriegs-Woche genau wie sie vor genau 100 Jahren geschehen sind, mit diversen Zusatzinformationen zu allem rund um den 1. Weltkrieg)
    https://www.youtube.com/user/TheGreatWar/featured

  6. Wer gute Englischkenntnisse besitzt und mal viel Zeit hat, sollte sich zum ersten Weltkrieg unbedingt die Podcastreihe „Blueprint for Armageddon“ von Dan Carlin anhören.
    ( http://www.dancarlin.com/hardcore-history-series/ )

    Was einen erwartet sind unfassbar spannende und emotionale 22(!) Stunden, in welchen der Autor auf alle Seiten gleichermaßen eingeht und es als Amerikaner schafft, keine der Kriegsparteien über die anderen zu stellen.

    Absolut hörenswert!

  7. Ich weiß nicht ob Wünsche für kommende Hoaxilla Folgen einfach in die Kommentare gepostet werden sollten, mache es dennoch mal:

    Würde mich sehr für eure Sicht der Verschwörungstheorien zu Juri Gargarins Tod interessieren!

  8. Unser Freund Christoph hat da noch einige Anmerkungen zum Auslöser des Krieges zusammengestellt:

    „Eine kleine Kritik zur ansonsten sehr gelungenen Episode 203.

    Man kann so pauschal nicht sagen, dass Serbien 1914 ein großserbisches Reich angestrebt hätte. Zwar gab es auch solche Strömungen in der serbischen Politik, allerdings war das Ziel eher eine Vereinigung der Südslawen (= wörtlich Jugoslawen) mit Ausnahme der Bulgaren (die ja ein eigenes Land hatten) unter Führung der Serben, was durchaus auch bei maßgeblichen Strömungen in Kroatien, Montenegro und Bosnien auf Sympathie stieß. Letztlich ist übrigens dieser Narrativ auch eine Strömung des aktuellen serbischen Nationalismus neben dem offenen Großserbentum: Das Verständnis Serbiens als Führungsnation der Südslawen, auserkoren, sie kulturell, politisch und auch sonstwie zur Größe zu führen, wobei die anderen schon eine Eigenständigkeit zugesprochen bekommen.

    Hier setzen auch die Aktivitäten der Mlada Bosna an, der Terroristengruppe, die das Attentat auf Franz Ferdinand verübte. Sie wollte Unruhe im annektierten Bosnien schüren mit dem Ziel, dass es einen Aufstand geben würde, als dessen Ergebnis es zur Vereinigung der Südslawen kommen sollte. Der Mlada Bosna gehörten auch mindestens ein Bosnjake und ein bosnischer Kroate an (der spätere Nobelpreisträger Ivo Andrić). Unterstützung kam aus dem serbischen Geheimdienstapparat, der sich die jugendlichen Revolutionäre als nützliche Idioten hielt.

    Man darf nicht vergessen, dass Kroatien, Slowenien und Bosnien von Österreich-Ungarn beherrscht wurden sowie Serbien nördlich der Donau, die heutige Vojvodina. Die Reichs/Staatsgrenze verlief mitten durchs heute Belgrad. Die serbischen Ziele sind also aus heutiger Sicht durchaus legitim. Ihnen pauschal vorzuwerfen, sie hätten Unruhe gestiftet ist zwar nicht ganz falsch aber einseitig und leider eine in Österreich und Deutschland sehr verbreitete Sicht der Dinge.“

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